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Von Florian Eder
Chuzpe hat der Mann: Fährt
nach Peking, vergleicht sein klammes Griechenland mit einem Riesenreich,
das kaum weiß, wohin mit seinem Geld. Beide Länder seien schließlich
Wiegen uralter Kulturen. Und dann lädt Antonis Samaras in dieser Woche die chinesische Wirtschaft auch noch ein, "an der griechischen Erfolgsgeschichte teilzuhaben".
Gastgeber China
schwieg sich in der Frage vornehm darüber aus, ob man diese
Lageeinschätzungen teilt. Das Selbstbewusstsein jedenfalls ist zurück in
Athen. Es ist auch der Stolz des Unterschätzten, der den griechischen
Premierminister mit geradem Rücken zu Hause und in der Welt auftreten
lässt – Stolz bis hin zum Übermut: Schon im kommenden Jahr werde
Griechenland wieder an die Kapitalmärkte zurückkehren, kündigte Samaras an.
Zwar misst sich
der Erfolg, den Samaras ausmacht, nicht in Wirtschaftswachstum oder
Arbeitsmarktdaten: Die Arbeitslosigkeit steigt weiter, ein Ende der
schon sechs Jahre währenden Rezession ist weit mehr Hoffnung als
Prognose.
Aber verglichen
mit dem politischen Chaos, das vor einem Jahr in Athen herrschte,
zwischen den Wahlen vom Mai und denen vom Juni, lässt sich der
Fortschritt nicht leugnen. Verglichen mit den Szenarien von Austritt und
Rauswurf und der Angst, dass Griechenland die ganze Euro-Zone sprengen
könnte, scheint die Lage heute ruhig.
Und verglichen mit seinen
eigenen Äußerungen zu Sparkurs und Reformen vor der Wahl zum
Regierungschef, die ihn in Europa als höchst unsicheren Kantonisten
dastehen ließen, sind Samaras zwei Erfolge nicht abzusprechen, die kaum
alle beide zu erreichen schienen: Er stellt die Geldgeber zufrieden –
und stabilisierte gleichzeitig, bis zu einem gewissen Grad, die
griechische Politik und Gesellschaft.
Euro-Finanzminister loben Griechenlands Fortschritte
"Beträchtliche Fortschritte bei der Umsetzung der Haushalts- und Strukturreformen" bescheinigten die Finanzminister der Euro-Zone den Griechen in dieser Woche und gaben 7,5 Milliarden Euro frei,
die nächste Tranche aus dem Hilfspaket. "Man musste dabei schon einmal
ein schlechteres Gefühl haben", sagt ein Sitzungsteilnehmer.
Deutlicher wird
Olli Rehn, als Währungskommissar einer der Chefaufseher über Athens
Fortschritte. Er macht den Premierminister selbst als Garanten des
Reformkurses aus: "Herr Samaras hat viele überrascht mit seiner
Fähigkeit, den Reformkurs zu halten und so das Vertrauen in Griechenland
wieder herzustellen", sagte Rehn der "Welt am Sonntag".
Vertrauen kehrt
zurück, dieser flüchtige wie unverzichtbare Stoff. "Darin sind sich alle
einig, von der internationalen Gemeinschaft über die Finanzmärkte bis
zu den Griechen selbst", sagt Maria Damanaki, die griechische
EU-Kommissarin.
Fitch stuft Griechenlands Bonität herauf
Die
Ratingagentur Fitch nahm fast auf den Tag genau ein Jahr nach der
Herabstufung der griechischen Kreditwürdigkeit auf die unterste
verfügbare Stufe nun genau diesen Schritt zurück und begründete die Entscheidung mit dem klaren Reformkurs der Regierung.
Die griechische
Wirtschaft habe in der Wettbewerbsfähigkeit vier Fünftel des Abstands
zum Durchschnitt der Euro-Zone wieder aufgeholt, urteilt Fitch. Die
Messgröße ist schwer zu quantifizieren, weil ein jeder etwas anderes
darunter versteht. Aber nicht zu übersehen ist, dass Griechenland die
Arbeitskosten brutal gesenkt hat und inzwischen recht beherzt seinen
Staatsbesitz privatisiert. Für Unternehmen kommt das Land wieder als
Investitionsstandort infrage.
Das hilft
Samaras auch in der Heimat. Nicht, dass die Griechen, das von ihrer
Wirtschafts-, Schulden- und Staatskrise am meisten gebeutelte Volk
Europas, dem Sparen viel abgewinnen können. Eine Umfrage des
US-Forschungsinstituts Pew Research aus der zurückliegenden Woche zeigt
deutlich, dass zwei Drittel der Griechen das Vertrauen in die EU
verloren haben, und sogar drei Viertel bescheinigen Samaras eine
schlechte Leistung in der Krisenbewältigung.
70 Prozent der Griechen für den Euro
Das Misstrauen
seines Volkes teilt er mit den Regierungschefs Italiens und Spaniens.
Aber knapp 70 Prozent der Griechen wollen den Euro behalten, und es ist
nur eine knappe Mehrheit, die sagt: Statt zu sparen, müsse das Land Geld
ausgeben, um Arbeitsplätze zu schaffen.
Bei der
jüngsten Parlamentsentscheidung über den Abbau von weiteren 15.000
Stellen im öffentlichen Dienst, eine Voraussetzung für die
Milliardenzahlung von der Euro-Zone, demonstrierten nur noch ein paar
Tausend. Der gewaltbereite schwarze Block der Anarchisten? Nicht zu
sehen. Die Besetzung öffentlicher Gebäude? Vorbei. So schnell vergeht
ein Jahr, so viel kann sich ändern.
Fragil bleibt
die Lage, denn die europäischen Anreize zu Reformen drohen sich rasch zu
verlieren. Auch in Europa dreht die Stimmung, in die umgekehrte
Richtung allerdings. Genug gespart, ruft Frankreichs Präsident, der doch
in seinem ersten Jahr im Amt nicht einmal das Tempo der Neuverschuldung
drosselte, von Schuldenabbau ganz zu schweigen.
"Schluss mit
dem Zwang zur Konsolidierung", das ist allenthalben zu hören und in
dieser Woche auch aus der EU-Kommission so deutlich wie nie: Die
europäische Aufsicht über Finanzen und Reformen durch die Troika der
Geldgeber habe ihre Unzulänglichkeiten bewiesen, sagte Rehns Kollege
László Andor, zuständig für Soziales, am Mittwoch auf einer
Veranstaltung im Europäischen Parlament. Die sollte eigentlich den
Wandel in Griechenland aufzeigen, Andor aber sagte: "Es ist an der Zeit,
diese Troika-Praxis rasch zu beenden."
19/5/13
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